fantastische Bücherwelt

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Zitate: Bernhard Hennen - Elfenwinter

Ollowains Blick wanderte zu den Türmen, um die nun geisterhafte Lichter spielten. Er mochte Vahan Calyd nicht. Es hieß, die Alben hätten an diesem verwunschenem Ort einst ihre ersten Kinder erschaffen. Hier, wo der Wald und das Meer in riesigen Mangrovensümpfen ineinander übergingen, sodass es keine Küstenlinie gab, hier, wo Grenzen nicht mehr galten, schien alles möglich zu sein.

Ollowain musste an seine Mutter denken. Während eines Festmahls in der Himmelshalle von Phylangan hatte sie plötzlich das Glas in ihrer Hand zerbrochen, einen Blütenkelch aus rotem Bergkristall. Er hatte ihr gegenüber gesessen. Sieben Jahre alt war er gewesen. Er erinnerte sich noch an das Blut auf dem weißen Kleid seiner Mutter und an ihren Blick. Ihre wunderschönen grünen Augen, voller Angst. Und dann hatte sie sich den langen Stängel des Kristallglases durchs Auge tief in den Schädel gestoßen.

Ollowain ergab sich dem Schicksal. Wenn er Emerelle retten wollte, dann musste er Lyndwyn vertrauen.

Ollowain, der beste Fechter Albenmarks, hatte ihn ausgebildet. So vieles war der Elf im Lauf der Jahre für ihn gewesen - Ziehvater, Lehrer und Freund. Den meisten bei Hof war der Schwertmeister unnahbar erschienen. Eine lebende Legende, der weiße Ritter von der Shalyn Falah. Er hatte sich ganz dem einen Ziel verschrieben, ein vollkommener Schwertkämpfer und Krieger zu sein. Und er war so weit auf diesem Weg gegangen, dass kein Elf gegen ihn bestehen konnte.

Dann befahl Emerelle ihrem Schwertmeister, die Trolle in den Abgrund zu stürzen. Doch der ehrenhafte Ollowain, der bisher nie gezögert hatte, einem Befehl seiner Herrin zu folgen, verweigerte sich ihr.

Er senkte seinen Blick nicht, doch er verschloss sein Herz vor dem, was er sah. Lyndwyn hatte etwas an sich, das ihn tief berührte und seine Gefühle verwirrte. Sie wusste, wie es war, sich einer Idee zu opfern. Die Vollkommenheit anzustreben. Alle anderen zu überflügeln.

Er spürte den festen Stein durch die weiche Sohle seiner Stiefel. Glatt, rutschig war er. Und doch war diese Brücke nicht so tückisch wie die wirkliche Shalyn Falah. Es gab kein Sprühwasser, das den Stein benetzte. Keine böigen Winde, die an den Kleidern zerrten.

"Du wirst jetzt aufstehen. Und sieh mir weiter in die Augen! Findest du nicht, dass "grün" eine unangemessene Beschreibung ist? Was für ein Grün ist es? Sieh genauer hin."
Ollowain erhob sich. Er hielt Lyndwyn mit seinem Blick gefangen. Zögerlich richtete sich die Magierin auf.
"Deine Augen haben die Farbe von Moos, wie man es auf den Steinen des versiegelten Albensterns nahe der Shalyn Falah findet. Deine Iris ist eingefasst von einem dünnen, schwarzen Rand. Das Grün ist nicht ebenmäßig. Feine Lichter und Schatten durchziehen es."
Ollowain ging langsam rückwärts. Lyndwyn folgte ihm mit unsicheren Schritten. Er hielt nun ihre beiden Hände. Er musste in ihr Antlitz sehen, damit sie ihren Blick nicht abwendete. Unter ihnen ging es mehr als zweihundert Schritt in die Tiefe.

Ollowains Blick wanderte über die Waldterrassen. Er könnte hier Stunden sitzen, ohne des Schauens müde zu werden. Der Anblick der Natur vermag die Seele zu heilen, hatte ihm seine Mutter vor Jahrhunderten erzählt. Damals war er zu ungeduldig gewesen, um sich dieser Wahrheit zu öffnen. Und er war auch zu jung gewesen, um an einer verletzten Seele zu leiden. Erst die Zeit hatte ihn von der Weisheit in den Worten seiner Mutter überzeugt.

Ollowain hob eine Braue – eine Geste, die er einst wochenlang eingeübt hatte, um alle Stimmungen zwischen herablassender Verwunderung und kaum beherrschtem Ärger ausdrücken zu können.

Kein anderes Elfenvolk war so stolz auf seine magischen Kräfte wie die Normirga. Und weil jene, denen diese Gabe nicht geschenkt war, kaum einen Weg aus den Felsenburgen fanden, lernten die übrigen Albenkinder meist nur mächtige Zauberer aus dem Volk des Nordens kennen. Auch stammte die bedeutendste aller Zauberweberinnen, Emerelle, von den Normirga. Dass Ollowain es gelungen war, aus dieser Tyrannei auszubrechen, war vielen seines Volkes unliebsam. Ollowain erinnerte sich, dass auch er die Gabe geerbt hatte. Doch am Tag des Todes seiner Mutter war seine Zauberkraft verloschen. Manchmal dachte der Schwertmeister, dass vielleicht nur der Wille, sich dieser Mächte zu bedienen, in ihm gestorben war.

Für den Fürsten war er noch immer ein Junge. Aller Ruhm vermochte den Makel nicht aufzuheben, der ihm anhaftete. Was dies anging, waren die Gesetze der Normirga klar und gnadenlos. Wer nicht in der Lage war, sich aus eigener Kraft und völlig mühelos gegen die eisige Kälte des Landes zu schützen, der galt als Kind. Ganz gleich, wie alt er war und was er geleistet hatte.

Was ich sehe, wenn ich dort hinausblicke, ist der Sieg der Ästhetik über die Ethik. Ich sehe einen Hinrichtungsplatz, der zum landschaftsgestaltenden Mittel wurde.

Träumte er noch? Ollowain sah sich unsicher um. Die weiße Kammer war wie für ihn geschaffen. Zu vollkommen, um Wirklichkeit zu sein? Obwohl... Landoran wusste vielleicht noch, mit welcher Besessenheit er als Kind die Farbe Weiß verehrt hatte. Eine Zeit lang wollte er sogar nur weiße Nahrung zu sich nehmen.

Durch das Gitterwerk nasser, schwarzer Haarsträhnen sahen ihn lindgrüne Augen mit goldenen Sprenkeln an. Lyndwyns Augen!
“Das war der einzige Weg”, sagte sie leise. “Wir wären uns nie näher als auf der Brücke gekommen, als wir einander in die Augen sahen. Dein Verstand hätte dein Herz zum Schweigen gebracht.”

“So kindisch es ist... Nachdem du wirklich so warst, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, wollte ich dir gefallen. Um jeden Preis. Ich wollte die deine sein.”

In seinem Herzen fühlte er, dass sie ihn nicht betrogen hatte. Landoran wusste, wo sie war. Sie hatte sich auf irgendeinen törichten Handel mit seinem Vater eingelassen, damit er ihr half, ihn zu verführen.

Lyndwyn hatte Recht gehabt. Er hätte sie niemals zu sich gelassen. Sie hatte ihm die Augen verbinden müssen, damit er der Stimme seines Herzens folgen konnte. Was für ein Narr war er doch gewesen!

Und tatsächlich war es so, dass es half, von Lyndwyn zu reden. Er fühle das, was jenseits aller Täuschungen wahrhaftig war. Und er fühlte einen Schmerz, den er nicht in Worte zu fassen vermochte. “Ich versuche, sie zu vergessen, aber... Sie hat mein Herz berührt. Ich...”

Mit Lyndwyn in den Armen durchquerte er den steinernen Wald. Der Boden vibrierte jetzt stärker. Feiner Staub rieselte vom Goldgeäst der Deckenbögen. Ollowain küsste sie und flüsterte Liebesschwüre, doch sie erwachte ebenso wenig wie Emerelle.

Unvergessen bleibt Ollowain, der Wächter der Shalyn Falah. Er war stets dort, wo man das Lied der Klingen sang. Seine kühlen Scherze gaben jenen Kraft, die scheinbar endlos Wacht hielten.

Du bist gekommen, um mich aus dem Feuer zu holen, mein weißer Ritter. Nun werde ich dich retten.

Unser Fest neigte sich schon seinem Ende zu, als eine bleiche Gestalt unter dem Torbogen zur Silbernen Halle erschien. Ollowain, den wir alle für tot gehalten hatten, war zurückgekehrt. Doch er hatte auch nicht mehr viel von einem Lebenden an sich. Das Haar weiß von Frost. Die Augen tief in dunkle Höhlen eingesunken, trug er statt seines Umhangs eine schmutzige Wolldecke über den Schultern.

"Du weißt, dass ich den Tod nicht fürchte", sagte Ollowain traurig. "Aber ein Feldherr, der seine Schlachtreihen mit Hoffnungen statt mit Kriegern füllt, der macht mir in der Tat Angst. Dennoch werde ich morgen bei dir sein, mein Freund. Wenn du schon nicht auf dich achtest, dann muss ich es tun."

Die Maurawan hatten Asla und Kadlin nicht finden können. Und es gab keine besseren Fährtensucher als sie. Aber sein Freund würde mit dem Herzen suchen. Wenn es einen gab, der vielleicht noch etwas finden mochte, was den Maurawan entgangen war, dann war er es!

Du wirst keine Gewissheit finden, Alfadas. Ich bin für dich in dieses Tal geritten, um als dein Freund deine Zweifel zu besiegen. Doch ich bin gescheitert. Aber in der Ungewissheit liegt auch Freiheit, wenn du stark bist. Du kannst dir selbst aussuchen, was du glauben willst.

Wunder geschehen nicht einfach, Alfadas. Sie werden gemacht. Und wem schadest du, wenn du diesen Helm mit seiner verwunschenen Geschichte zu deiner Krone machst? Sei großzügig! Schenke deinen künftigen Untertanen ein Wunder, das ihnen Kraft gibt in dieser schweren Zeit!


Herzlich Willkommen in meiner fantastischen Bücherwelt - ich freue mich, dass du den Weg hierher gefunden hast, und hoffe, dass es dir hier gefällt.

Auf meinem Lesetisch stapeln sich:
Susanne Gerdom - Elbenzorn
Yasmine Galenorn - Die Hexe
Tolkiens Geschöpfe

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